Gedanken zu Corona: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für den Einstieg in den Aktienmarkt?

Das Coronavirus hat es in kürzester Zeit geschafft, zum alles beherrschenden Thema aufzusteigen. Wirkte es zu Beginn noch wie ein lokal auf China begrenztes Phänomen, sind wir mittlerweile auch in Deutschland und Europa bei heftigen Einschränkungen des gewohnten Alltags bis hin zu Ausgangssperren angekommen. Bundesliga-Fußball soll es frühestens im kommenden Jahr wieder zu sehen geben, Kitas und Schulen sind deutschlandweit geschlossen. Home Office ist über Nacht für die meisten zur Normalität geworden.

Und die Aktienbörsen sind abgestürzt. Und zwar so richtig. Im Durchschnitt um ordentliche dreißig Prozent. Wenn es einen Crash gibt, dann wohl aktuell. Innerhalb weniger Tage sind vormals stattliche Depots zusammengeschmolzen. Wer den Braten nicht bereits im Voraus gerochen hat, sitzt jetzt auf ordentlichen Verlusten. Und wessen Investment-Strategie nicht wirklich durchdacht und eher auf Kante genäht ist, der ist nun am Arsch.

Die Weltbörsen sind um dreißig Prozent nach unten gerauscht, selbst der Goldpreis hat innerhalb eines Monats um zehn Prozent nachgegeben (Und Gold ist ja angeblich ein sicherer Hafen, Haha). Dass das die Leute trotzdem nicht davor abhält, wie wild Gold zu kaufen, ist ein anderes Thema. Dass in einer solchen Situation, in der wir mindestens fünf Wochen Lockdown vor uns haben und viele realwirtschaftlichen Folgen noch gar nicht absehbar sind, die Aussichten nicht gerade rosig sind, ist klar.

Klar ist allerdings schon jetzt und ohne viel Hellseherei: Viele Branchen wie den Einzelhandel, Gaststätten, Hotels oder Fluggesellschaften trifft diese Krise hart. Es wird über kurz oder lang in vielen Bereichen zu Kurzarbeit und Entlassungen kommen. Den Aktienmärkten werden auf ihrem Weg nach unten kurz- bis mittelfristig auch die Immobilienpreise folgen. Von den günstigen Kreditkonditionen wurden viele gelockt, die besser weiterhin zur Miete hätten wohnen sollen.

Leere deutsche Bundesstraße während der Coronakrise
Leer gefegte Bundesstraße am hellichten Tag. Normal während Corona.

Geht es etwa nur bergab?

Überall also Niedergang und Pessimismus? Nein, glücklicherweise gibt es ja weiterhin viele Finanz-Blogger, die weiterhin an Buy and Hold festhalten und den aktuellen Kurssturz zur einmaligen Gelegenheit zum Einstieg in den Aktienmarkt deklarieren. Und jedem blind empfehlen, nachzukaufen oder jetzt mit Aktien anzufangen. Aber ist das wirklich so klug und jedem so vorbehaltlos zu empfehlen? Ich möchte hier gerne ein wenig Licht rein bringen und Schwarz und Weiß zu einem Grau vermischen. Für einen differenzierten Blick auf die Investmentwelt in der Coronakrise.

Rendite kommt von Risiko

Wenn es ein allgemeingültiges Investment-Gesetz gibt, dann jenes, dass Rendite von Risiko kommt. Umso höher das Risiko, umso höher die zu erwartende Rendite. Niedriges Risiko und hohe Rendite sollte einen also immer stutzig machen. Das gilt auch in Zeiten von Corona und insbesondere auch weiterhin für Aktien.

Auch wenn noch so oft behauptet wird, dass nun der ideale Zeitpunkt zum Einstieg in den Aktienmarkt oder zum Nachkaufen ist: Das Risiko bleibt. Und auch wenn behauptet wird, dass man langfristig auf jeden Fall seine Rendite machen wird: Eine Garantie dafür gibt es nicht. Denn so sehr solche Aussagen auch mit Analysen der Vergangenheit, historischen Chartverläufen und und und untermauert werden: In die Zukunft schauen kann niemand. Also denk auch in diesen Zeiten an deine Diversifikation und investiere nur, wenn du auch wirklich davon überzeugt bist.

Geht es jemals wieder bergauf und wann ist der Boden erreicht?

Davon ist auszugehen, siehe vorherigen Absatz. Eine Garantie gibt es allerdings nicht. Die letzten Jahre, sogar das letzte Jahrzehnt, haben einen verwöhnt, was die Aktienmarkt-Renditen angeht. Ob so etwas nochmal wiederkommt? Keine Ahnung. Alle Zukunftsprognosen stützen sich lediglich auf die Vergangenheit und hoffen darauf, dass es so weitergeht, wie die letzten 200 Jahre. Eine Garantie gibt es allerdings nicht.

Leider weiß aktuell niemand, wann der Boden der Talfahrt erreicht ist. Und auch wenn er irgendwann erreicht sein wird, wird es in diesem Augenblick niemand wissen. Erst im Rückblick wird dieser Punkt erkennbar sein. Deswegen ist es nun so wichtig, bei seiner einst festgelegten Strategie zu bleiben und sich nicht von den Geräuschen um einen herum verrückt machen zu lassen.

Ohne Reserve bist du am Arsch

Wenn du dir bereits jetzt wie ein arschgeficktes Gummientchen vorkommst, hast du in der Vergangenheit wahrscheinlich deine Risikoneigung überschätzt. Oder keine Reserven vorgehalten. Oder sogar beides. Das kann in einer solchen Krise wie der aktuellen Coronakrise fatal wirken. Denn wenn die Börsenkurse einstürzen, der Job wackelt und schlimmstenfalls auch noch das Haus abbezahlt werden muss, dann kann die Luft schon mal sehr dünn werden. Also so „auf dem Mount Everst ohne Sauerstoffflasche“-dünn. Viel Luft zum Atmen bleibt da nicht.

Deswegen sollte, wenn bisher keine Reserve besteht, spätestens jetzt damit angefangen werden. Also nicht das letzte Geld in Wertpapiere gesteckt werden oder schlimmer noch: Auf Pump gekauft werden. Sondern eine liquide Reserve von mindestens drei Nettomonatsgehältern aufgebaut werden, besser sogar noch mehr. Außer man ist Beamter oder hat einen anderen unkündbaren Job (Wegen Nacktfotos vom Chef in der Schreibtischschublade z.B. Bringen einem allerdings auch nichts, wenn der ganze Laden den Bach runter geht).

Mit unkündbarem Job kann man also auch munter drauf los investieren, drei Monatsgehälter in Reserve sollten aber selbst dann sein. Zur Sicherheit. Falls die Waschmaschine und das Auto gleichzeitig kaputt gehen und der Hamster auch noch stirbt. Ihr wisst schon…

Mit Reserve und sicherem Job: Feuer frei und rein in den Aktienmarkt. Ohne Reserve und mit Moskau Inkasso vor der Tür: Lieber nochmal drüber nachdenken, ob Aktien- und alle anderen Investments aktuell wirklich das richtige für einen sind. Oder ob man sich nicht doch lieber erstmal um den Dispo auf dem Girokonto kümmern möchte…

Leere Regale während der Coronakrise
Leeres Regal im Drogeriemarkt während der Coronakrise

Strategie beibehalten und Risiko im Auge behalten

Was in Krisenzeiten wie jetzt noch viel wichtiger ist als in „normalen“ Zeiten: Kühlen Kopf bewahren und seine einst festgelegte Strategie beibehalten. Oder wenn man bisher nicht in Aktien investiert hat oder bisher keine Strategie verfolgt hat: Erst eine Strategie aufsetzen, dann investieren.

Der Kern einer solchen Strategie ist die eigene Risikoaversität. Wie viel von seinem ersparten Geld möchte man in „sichere“ Anlagen, d.h. kurzfristige Staatsanleihen höchster Bonität oder Tagesgeld, und wie viel in risikoreiche Aktien investieren? Hiervon leiten sich alle weiteren Entscheidungen wie die Höhe der monatlichen Sparpläne, die Aufteilung in verschiedene ETFs etc. ab.

Wenn die Strategie steht, kannst du dir über das Risiko Gedanken machen. Hat sich durch die Coronakrise etwas für dich oder deine Familie verändert? Droht in deinem Job Kurzarbeit oder gar die Kündigung? Wie wahrscheinlich ist ein solches Ereignis und wann könnte es eintreten? Was bedeutet dies für dein Einkommen für die nächsten 12 oder 24 Monate? Darauf aufbauend musst du ggf. deine Strategie anpassen. Das heißt monatliche Sparpläne anpassen oder sogar komplett pausieren.

Auf der anderen Seite, wenn du dich auch für die Zukunft sicher aufgestellt hast und z.B. einen unkündbaren Job als Beamter hast, kannst du sogar über eine Erhöhung deiner Investments oder monatlichen Sparpläne nachdenken. Denn solltest du neben Aktien auch Tagesgeld oder Anleihen halten, hat sich deine Asset-Allokation durch den Kurssturz an den Börsen automatisch Richtung risikofreiem Portfolio-Teil verschoben. Das heißt: Es sind nun Reserven da, die in den Aktienmarkt investiert werden können. Ideal, wenn du langfristig an steigende Kurse glaubst.

Anstehen beim Bäcker während der Coronakrise
Anstehen beim Bäcker: In Zeiten des Coronavirus mit mindestens zwei Metern Abstand zueinander

Fazit: Investieren bleibt einfach

Wenn du vor ein paar Tagen oder Wochen noch an Aktien geglaubt hast, warum solltest du es jetzt plötzlich nicht mehr tun? Hat sich etwas fundamentales verändert? Die Asset-Klasse Aktien ist genauso risikoreich wie vorher auch. Daran ändert auch der Absturz der Märkte nichts. Er zeigt nur, was über die letzten Jahre ein wenig in Vergessenheit geraten ist: Dass das Investment in Aktien auch mit Risiko verbunden ist und es nicht immer nur bergauf geht.

Wenn du dir bisher über deine Risikoneigung unsicher warst oder dir sogar noch gar keine Gedanken darüber gemacht haben solltest, dann ist nun der richtige Zeitpunkt, in dich reinzuhören. Nur so findest du heraus, ob es für dich in der aktuellen Situation klug ist, in Aktien oder Aktien-ETFs zu investieren. Hinzu kommt, dass zum aktuellen Zeitpunkt niemand weiß, ob bereit die Talsohle der Aktienkurse erreicht ist oder es nicht sogar noch weiter runtergeht.

Investieren bleibt auch in Zeiten von Corona einfach. Wichtig ist es, seine bisherigen Glaubenssätze nicht über Bord zu werfen, weiter kühlen Kopf zu bewahren und seine Strategie unverändert beizubehalten. Offensichtlich wird nun aber, dass Investieren in Aktien auch mit Risiko verbunden ist. Wenn du dich damit unwohl fühlst, solltest du nun auch nicht in Aktien investieren.

Ich für meinen Teil habe weiterhin Reserven, die ich nun Stück für Stück in den Aktienmarkt investieren werde. Der Kurssturz an den Börsen hat dazu beigetragen, dass sich der risikolose Anteil meines Portfolios prozentual erhöht hat und mehr Geld für Aktieninvestments zur Verfügung steht. Meine Zukunftsaussichten schätze ich weiterhin als gut ein, selbst bei Arbeitslosigkeit bin ich für 12 Monate mit Arbeitslosengeld abgesichert.